Nun möchte ich noch kurz einen kleinen Erfahrungsbericht zum Zeitspiel während der Poulerunde der Deutschen Meisterschaft Doublette weitergeben und hierzu noch ein paar Fakten auflisten.
1. Jede Spielerin und jeder Spieler, den ich am Wochenende zum Zeitspiel befragte, empfand es als nicht angebracht bei einer DM – sogar Schiedsrichter.
2. Zeitspiel verändert das Spiel. Es muss in den letzten Aufnahmen teilweise zwangsweise eine andere Taktik angewendet werden, als man in einem Spiel ohne Zeit wählen würde.
3. Bei Abpfiff nach 60min waren kaum Partien beendet und sehr viele Partien noch mitten im Spiel. Dass schließlich doch noch einige Partien mit 13 Punkten beendet wurden, lag auch daran, dass zurückliegende Mannschaften Harakiri-Taktiken in den letzten Aufnahmen anwendeten, um evtl. ein Spiel noch zu drehen.
4. Alle 16tel-Finals waren so früh zu Ende, dass noch viel Zeit gewesen wäre, welche für die Poulerunden hätte genommen werden können, aber das war sowieso klar, da es in den letzten 40 Jahren auch ohne Zeit klappte.
5. Zwei kurze Beispiele, was mit Zeitspiel passieren kann:
Situation A: Ich selbst spiele im Siegerspiel. Bei Abpfiff steht es 9:9 und nach einem Misslungenen Schuss, bei dem wir eventuell das Spiel für uns entscheiden können, jedoch auch die Aufnahme noch verlieren können, geben wir sogar noch 2 Punkte ab, anstatt einen sicheren zu nehmen. Hätten wir die Zeit im Auge behalten, hätten wir uns vielleicht anders entschieden. Nun aber das Wesentliche. In der Folgeaufnahme beim Stand von 9:11 geht nach meiner 2. Kugel, die ich (leider) press an die Sau lege, ebendiese ins Aus. (Schlecht gespielt?) Nur noch eine Aufnahme. Diese läuft gut für uns. Wir haben den Punkt am Boden und noch drei Kugeln auf der Hand. Der Gegner spielt seine letzte Kugel und legt sie press an die Sau, kurz vor der hinteren Auslinie. Was bedeutet das nun beim Zeitspiel?
In einem normalen Spiel hätten wir nun drei Schüsse, um die Kugel zu entfernen, sollten wir sie mit der letzten Kugel treffen oder gar nicht treffen stünde es weiterhin 9:11 oder eben 9:12, jedoch alles noch drin.
In diesem Fall jedoch hatten wir genau nur einen einzigen Schuss, um nicht zu verlieren. Da der Gegner auch hinter der Sau lag, hatten wir auch keine „Trennoption“ und dann schießen oder andere Möglichkeiten. Bei noch 3 zu spielenden Kugeln machten wir ein Loch und hatten damit die Partie sicher verloren, obwohl wir noch zwei Kugeln auf der Hand hatten und der Gegner Leer war… Bizarre Situation.
Auch belustigend: Nach unserem 1. Loch überlegten wir echt lange (auf jeden Fall mehr als 1min), da wir noch nie in einer solch ungewohnten Situation waren und bekamen sogar noch die gelbe Karte von einem aufmerksamen Schiedsrichter.
Situation B: Vielleicht noch einen Tick ekliger, da gleichfalls aus dem Turnier ausgeschieden mit dieser Situation: Justin Neu und Marice Racz spielten gleich zwei Mal gegen Philippe Jankowski und Christian Bossert. Um es vorweg zu nehmen, sie verloren beide Spiele mit 8:9 und 9:10. In der Barrage machte Philippe Jankowski in der letzten Aufnahme jedoch einfach kurzen Prozess und schoss 3x auf die Sau. Mit dem letzten Schuss traf er sie und gewann das Spiel. Natürlich vollkommen legitim, aber ist das im Sinne des Sports? Bedeutet das nun, dass man gegen gute Mannschaften, die 1 von 5 Sauschüssen treffen, bei Rückstand nach Abpfiff gar keinen Einfluss mehr auf das Spielgeschehen hat und eventuell einfach verloren hat ohne sich „wehren“ zu können?
Natürlich gibt es auch unzählige Partien, bei denen das Zeitspiel keine gravierenden Auswirkungen hatte, jedoch betrifft es ja sowieso nur ähnlich starke Mannschaften, die sich ein ausgeglichenes Match liefern.
Natürlich gilt Zeitspiel für alle und so wie es ein Gegner nutzen kann, kann man es selbst natürlich auch nutzen, aber ob das im Sinne des Pétanque-Bildes ist, so wie wir unseren Sport kennen, wage ich zu bezweifeln. Bildet euch eure eigene Meinung. Lasst uns gerne eure Erfahrung zum Zeitspiel zukommen. Gerne auch, weshalb Zeitspiel toll ist.