Ein Erfahrungsbericht von Jannik Schaake über den Einfluss von Alkohol auf das Boulespielen.


Es war schon ein wenig paradox, als ich nach dem Halbfinale zur Dopingprobe musste um quasi zu beweisen, dass ich keine unerlaubte, förderliche Mittel zu mir nehme. Die NADA (Nationale Anti Doping Agentur) hat einige Substanzen auf ihrer Liste stehen und sorgfältig werden genommene Medikamente aufgelistet. Doch was hier nicht auftaucht ist Alkohol.
Wer mich kennt, weiß dass ich wahrlich nicht zu der Sorte Boulespieler gehöre, die Alkohol auf dem Bouleplatz trinkt. Ein Bier nach dem Ausscheiden lasse auch ich mir nicht entgehen, doch stets ohne Alkohol werden die Turniere gespielt.
Wir alle kennen Spieler, die zur Genüge Alkohol, sei es Bier, Wein, Sekt oder ähnliches bereits morgens trinken und das den ganzen Tag. Durchaus nicht verwerflich, da es in keinster Weise verboten ist. Aber wieso eigentlich nicht? Ich wollte für mich herausfinden, wie stark Alkohol das
eigene Boulespiel beeinflusst.
Bei der Deutschen Meisterschaft Tête-á-tête habe ich den Selbstversuch gestartet und wollte wissen was Alkohol mit mir macht. Wie erlebe ich die zwei Tage Boulespielen? Wie beeinflusst der Alkohol meine Nervosität? Kann ich sonntags überhaupt noch gut spielen wenn ich samstags getrunken habe? Erreiche ich den Sonntag überhaupt?


Samstag – Vorrunde bis 16tel-Finale


Das Thermometer zeigte relativ bald Temperaturen von über 30 Grad. Es war schon etwas komisch, als ich mir gegen 9 Uhr mein erstes Bier holte. Ich wollte versuchen einen gewissen Pegel zu erreichen, auf dem ich dann dauerhaft bleiben könnte und der mich permanent in eine Gute Laune versetzen würde. Das erste Bier floss und ein Zweites holte ich mir auch direkt. Mit zum ersten
Vorrundenspiel nahm ich es nicht, da ich die Regularien natürlich stets einhalten wollte. Es ist untersagt während des Spiels zu Rauchen oder Alkohol zu sich zu nehmen, aber „selbstverständlich“ nicht vor dem Spiel… Wahnsinn.
Ich möchte hier jetzt nicht jedes einzelne Spiel durchleuchten oder alles was ich erlebte auf den Alkohol zurückführen, aber mir ist dennoch einiges aufgefallen, was mir ohne Alkohol auf diese Weise sicher nicht widerfahren wäre:
1) Ich war in allen Spielen nicht einmal aufgeregt. Ich spielte jede Kugel mit gleichen Emotionen und hatte nie ein Zittern oder unruhige Hände, was doch durchaus mal in engen Situationen auftreten kann.
2) Ich war stets gut gelaunt, egal wie schlecht Aufnahmen liefen und war positiv eingestellt. Ich hatte das Gefühl, dass wichtige Schüsse mit der gleichen Routine ausgeführt wurden wie „unwichtige“ Schüsse (falls es sowas überhaupt gibt, aber ich denke jeder Spieler weiß, was ich meine).


Mental ein absoluter Vorteil.


Sogar beim Tireurwettbewerb, bei dem es auf genau 20 Schüsse ankommt, war nicht der Hauch von Nervosität zu verspüren. Die Hand ging von alleine auf, meine Kugeln flogen genau wie ich es wollte und es fühlte sich alles richtig und verdammt leicht an. Klar habe ich auch schon einmal unter Alkohol Boule gespielt, aber keinesfalls ein derart „wichtiges“ Event wie eine Deutsche Meisterschaft. Ich war gespannt, wie der Sonntag weitergehen würde, da ich mir nach jedem Spiel ein Bier holte. Ca. sechs oder sieben Bier nahm ich an diesem Tag zu mir, um stets auf dem Pegel zu bleiben. Am Abend trank ich noch ca. 2 Liter Wasser, um Schlimmeres zu verhindern.


Sonntag – 8tel-Finale bis Halbfinale


Der Sonntag begann wie der Samstag aufhörte. Ich traf bereits gegen 8.15 Uhr auf der Tromm ein um genügend Zeit für mein erstes Bier zu haben. Ich habe mich nicht wiedererkannt, aber ich wollte es „durchziehen“. Jeder weiß, wie schwer die Sonntag-Morgen Partie ist und das war sie auch. Ob mit oder ohne Alkohol. Die 30 Grad wurden nun schon während des ersten Spiels gebrochen und die Hitze machte mir allmählich zu schaffen. Etwas schlapp fühlte ich mich vom Vortag, doch nach einem weiteren Bier nach dem ersten Spiel war auch diese „Schlappheit“ wieder vorbei. Auf das erfolgreiche 8tel-Finale folgte ein erfolgreiches Viertelfinale. Ich merkte wieder wie ich in einer Art positivem Zustand war und alles gelingen wollte. Sogar mit einem Retro für Aus ohne jede Zweifel, dass ich den Schuss jemals daneben setzen könnte, beendete ich das Viertelfinale, doch je länger der Tag dauerte, desto müder wurde ich. Das lange Warten auf die Halbfinals (der Tireurwettbewerb wurde zu Ende gespielt) bei über 30 Grad machte mir zu schaffen. Ein weiteres Bier sollte helfen.
Es lag im Halbfinale nun aber wahrlich nicht am Alkohol, dass mein Gegner überragend spielte und mir nicht den Hauch einer Chance lies, denn das ist mit Alkohol (zum Glück) nicht beeinflussbar 😉


Resumée


Auch nach Gesprächen mit anderen Spielern, die bei nahezu jedem Turnier Alkohol zu sich nehmen und für die es schon zum ganz normalen Turnierablauf gehört, muss ich sagen, dass Alkohol in richtigen Maßen (in meinen Augen) ein ganz klares Dopingmittel in unserem Sport darstellt. Die mentale Komponente wird nahezu ausgeblendet und man spielt Kugeln eigentlich wie im Training.
Und wir alle kennen die Trainingsweltmeister, die im Turnier nicht annähernd auf ihre Leistungen des Trainings zurückgreifen können, da einfach die Leichtigkeit fehlt. Und genau diese Leichtigkeit bringt der Alkohol. Es scheint egal zu sein ob der Schuss für und gegen Schluss ist oder ob man beim 3:0 die erste Kugel der Aufnahme schießen muss. Man spürt einfach keinen Unterschied mehr.


Eine schwierige Diskussion


Kaum zu glauben, dass es Dopingtests in unserem Sport gibt, wo doch das größte Doping auf den Turnieren selbst vom Veranstalter verkauft wird?! Doch warum ist der Alkohol noch nicht verboten? Dies hat wohl keinen sportlichen Hintergrund, sondern liegt daran dass Alkohol immer noch einen sehr großen oder sogar den größten Teil des Umsatzes eines Veranstalters ausmacht. Nur noch sehr schwer findet man heutzutage Ausrichter für Meisterschaften. Sollte man den Alkohol verbieten, werden sich wahrscheinlich noch weniger Ausrichter finden, da die Mühen noch weniger lukrativ werden als sie es jetzt bereits sind.
Man muss auch bedenken, dass es keine Profi-Petanquespieler in Deutschland gibt und jeder der unseren Sport, oder besser gesagt unser Hobby, ausführt, einfach nur Spaß haben möchte. Manch einer empfindet Spaß bei unserem Sport/ Spiel/ Hobby eben bei einem Gläschen Sekt, Wein, etc und ein andere empfindet Spaß beim rein sportlichen Spiel und dem Gewinnen von umkämpften harten Partien. Zu gewinnen gibt es nämlich – insbesondere auf Deutschen Meisterschaften – nichts außer Ruhm und Ehre. Auch kommen teilweise große Kosten auf die Akteure zu, je nach Entfernung zum Austragungsort.


Gibt es eine Lösung?


Der DPV und viele Spieler wünschen sich, dass Petanque professioneller wird, doch wie will man in einem „Sport“ professionell werden, wenn man ein Finale einer Deutschen Meisterschaft auch mit ca. 3 Promille gewinnen kann oder es überhaupt bestreiten darf? Ja, das kam schon vor… Ob auch der Alkohol ein Grund war, dass Boule nicht olympisch wurde? Durchaus möglich, denn in keiner anderen Sportart kann man unter großem Alkoholeinfluss seine Leistung sogar verbessern, wie es im Boule der Fall ist.
Ich fragte nach Beendigung des Turniers, warum denn der Alkohol noch nicht längst auf solch sportlichen und wichtigen Veranstaltungen wie Deutschen Meisterschaften, Bundesliga, etc. verboten ist? Als Antwort bekam ich nur, dass nicht der DPV die verbotenen Mittel vorschreibe, sondern der DOSB in Zusammenarbeit mit der NADA. Man könne also nichts dagegen tun.

Doch das ist schlicht falsch. Wenn man wollte könnte man das sicherlich. Die Franzosen sind uns da mal wieder einen Schritt voraus. 0,0 Promille darf man auf Meisterschaften haben und Tests gibt es hier auch. Verweigert ein Spieler einen Alkoholtest oder ist positiv, wird er vom Wettbewerb ausgeschlossen. Schiedsrichter testen auffällige Spieler und beobachten nicht nur auf dem Platz, um durchgreifen zu können.


Es muss sich was tun


Dass sich in Zukunft etwas ändern muss ist klar. Professionell wird unser Sport niemals, solange man noch alkoholisiert Boulespielen darf. Ich spreche hier jedoch nur von Meisterschaften und sportlich wichtigen Events. Unser Sport IST einfach (noch?) nicht professionell und solange dies so ist, darf auch weiterhin genüsslich Alkohol getrunken und gespielt werden.
Für viele Spieler ist der Alkohol und das Boulespielen in Kombination auch nicht mehr wegzudenken. Oftmals hörte ich schon: „Ich arbeite die ganze Woche. Am Wochenende auf dem Bouleplatz möchte ich genießen und mein Bierchen trinken. Da möchte ich mir nicht vorschreiben lassen, was ich trinken darf und was nicht.“ Da ist natürlich etwas wahres dran und Boule ist auch nur ein Hobby.
Eine mögliche Lösung könnte ja so aussehen, dass die 0,0 Promille-Grenze auf Meisterschaften und Qualis greift. Wer eben Boule nur in Kombination mit Alkohol spielen möchte, kann ja auf solche Events verzichten, denn das muss man bei anderen Sportarten dann eben auch. Und dennoch würde noch eine Großzahl von anderen Events stattfinden, bei denen wie gewohnt dem „Spaß“ nachgegangen werden kann und „drink & play“ stattfinden kann.
Solange in unserem „Sport“ aber weiterhin trotz NADA „gedopt“ werden kann, wird Petanque sich wohl nie zu einer professionellen Sportart entwickeln können. Es ist auch die Frage ob dies überhaupt wünschenswert ist. Wir wollen an dieser Stelle auch keine Bewertung abgeben oder Spieler mit dem Motto „drink & play“ verurteilen oder negativ betrachten, denn niemand handelt hier regelwidrig. Man sollte nur bedenken, ob es denn wirklich sinnvoll ist, eine Anti Doping Agentur zu beauftragen, wenn doch, wie bereits zu Beginn des Artikels erwähnt, das gebräuchlichste Doping direkt vor Ort angeboten wird.

Ich habe nun die Erfahrung mit Alkohol auf einer DM gemacht und das sportliche Resultat war positiv. Dennoch wird es eine Ausnahme bleiben. Ich bin kein Befürworter des Alkohols bei sportlich wichtigen Veranstaltungen, aber ich kann durchaus auch andere Fraktionen verstehen und trinke auch selbst gerne das ein oder andere Bier. Wichtig ist, dass man alle unter einen Hut bekommt und beim Boule weiterhin jeder seinen Spaß haben kann, ob mit oder ohne Alkohol – eben Freizeit oder Sport.


Lasst uns Kommentare da. Zeigt uns was ihr von Alkohol beim Boulespielen haltet. [Kommentare sind mittlerweile nicht mehr möglich.]


Jannik Schaake